Interview
geführt mit Dr. Ulrike Büttner 2012
Adela, in deiner Kunst treten immer wieder bestimmte Themenkreis auf, die sich wie ein roter Faden seit Jahren durch dein Ouevre ziehen. Da geht es etwa um die Umwelt oder um Religion. Welche Motivkreise würdest du als wichtig für dich nennen?
Da ist zunächst das Thema „Natur“. Dabei geht es mir nicht nur um die Sorge um die Zukunft dieser Erde, sondern auch ihre Schönheit. Manchmal möchte ich vor Begeisterung über die Natur in die Hände klatschen. Für kurze Zeit – manchmal nur für das Moment einer Fotoaufnahme – versuche ich durch Eingriffe in die Landschaft oder in den Raum eine Irrealität herzustellen, die dafür die Augen öffnet. „Die einzige wahre Reise wäre für uns, wenn wir nicht neue Landschaften aufsuchten sondern andere Augen hätten“, heißt es bei Proust.
Ein Kunstwerk zu schaffen, heißt für mich ferner, über einen Ort nachzudenken oder ihn neu zu schaffen, also die Unendlichkeit des Raums auf spezielle Weise einzugrenzen. Ein hebräisches Wort für Gott, nämlich „ Makom“, bedeutet „Ort“. Da wären wir schon bei deiner Frage nach der Religion. Bei den Arbeiten, die ich in der Wüste und am Meer angefertigt habe, waren mir die ‚göttliche’ Einmaligkeit des Ortes und Unwiederholbarkeit des Augenblicks wichtig.
Bei den Installationen im Umfeld der Emscher ging es mir darum, die kritische Aufmerksamkeit des Betrachters – vom Werk ausgehend – auf den Ort zu lenken. Sie sind aus der Intention entstanden, unsere Anästhesierung gegenüber der Verschmutzung und Zerstörung der Natur zu problematisieren. Eine Sensibilisierung für die Gefahren zu schaffen, die die Industrie und eine intensivierte, industrialisierte Landwirtschaft für unsere Wasserqualität darstellen. Wenn ich die kanalisierten Zuflüsse der Emscher sehe, die abgesperrt sind, weil es lebensgefährlich ist, in sie hineinzufallen, da ihre Gifte unsere inneren Organe zerfressen, könnte ich weinen.
Wir blenden zu oft die vielen von uns verursachten Veränderungen der Natur und die Probleme aus, die wir kommenden Generationen und anderen Lebewesen durch unsere Gier zufügen. Wir halten uns für das Maß aller Dinge und sind dabei maßlos.
Da schließt sich gleich eine weitere Frage an, nämlich, ob die Kunst für dich einen Zweck hat. Soll sie gesellschaftliche Missstände aufzeigen, neue Gedanken möglich machen, etwas aufdecken? Kannst du das für deine Kunst sagen?
Picasso hat einmal gesagt, „Malerei ist nicht dazu da Wohnungen auszuschmücken, Sie ist eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind..“
Ich kann diesen Satz nur unterschreiben. Oft entsteht meine Kunst aus der Anklage, der Angst und dem Widerstand. Kunst soll für mich Sinn gegen die Sinnlosigkeit schaffen, ein Stück Ganz-Sein gegen die Zerstückelung, soll Mut gegen die Angst machen.
Du findest für deine Arbeiten dann sehr unterschiedliche Formen der künstlerischen Umsetzung. Wie gestaltet sich da der Schaffensprozess? Ist erst der Inhalt da und du suchst dann nach einer passenden künstlerischen Form? Oder ist das Interesse an dem künstlerischen Material größer und dafür wird ein Thema gesucht. Oder bedingt sich beides? Kannst du vielleicht an einem Beispiel so einen Werdegang von der Idee zum präsenten Exponat beschreiben?
Oft gehe ich von den Fragen aus, die mich beschäftigen. Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?
An dem Thema „Emscher“ kann ich dir das gut beschreiben. Mir wurde klar, dass es ein Gegenbild zu diesem vergifteten Fluss gibt, nämlich einen Strom von Tieren, Menschen und Pflanzen, die vor uns waren und nach uns kommen möchten. In den anschließenden Überlegungen wurde für mich das Thema „Zeit“ interessant, und ich versuchte dafür Bilder zu finden – etwa in Gestalt der Schattenarbeiten, der Wachsarbeiten und des goldenen Koffers, der im Kreis fährt.
In diesem Zusammenhang begann mich der Gedanke, dass jeden Menschen etwas durch das Leben trägt, das genauso wichtig ist wie Wasser, zu beschäftigen. Daraus hat sich dann die Installation „Living Water“ entwickelt. Ich habe Menschen aus zwanzig Nationen gebeten, mir Worte, die ihnen genauso wichtig sind wie Wasser, in ihrer Sprache aufzuschreiben; und ich habe alle Beiträge, die ich mir auf kleinen Streifen hatte aufschreiben lassen, zusammengenäht und in Wachs getaucht – und zwar auf Streifen einer zerschnittenen Landkarte. Es war die Karte von dem Land, in das mein Vater vor Jahrzehnten emigrieren wollte. Am Ende hatte ich tatsächlich ein Bild gefunden für den Strom der Menschen; das war ein Geschenk.
Das alles umzusetzen, hat viel Arbeit gemacht und einige Überlegungen gekostet, schließlich bin ich kein Techniker. Um deine Frage zu beantworten; Ich würde sagen, dass erst ein inhaltliches Konzept da ist; dann folgt die Umsetzung, wobei es nicht ohne Zufälle abgeht.
Was ist für die wichtiger – der ästhetische Gehalt eines Werkes oder der Inhalt, die Aussage? Kann man das trennen? Gibt es auch Werke, die rein ästhetisch begründet sind?
Ästhetik spielt natürlich eine große Rolle, weil ich mich immer frage: Wie sieht etwas aus? Arbeiten die rein ästhetisch begründet sind, interessieren mich jedoch nur am Rande.
Es fällt auf, das manche Kunstwerke auch stark biografisch geprägt sind und so eine sehr subjektiv geprägte Art von Kunst darstellen, die viel von dir preisgibt. Ich denke da an die Installation mit dem Brautkleid oder die ergreifenden realistischen Bilder zum Tod deines Vaters. Wie kam es dazu?
Das stimmt. Schließlich ist es mein eigenes Brautkleid, das sich mittels eines kleinen Elektromotors dreht, während Feuer oder Wasser darauf projiziert werden, während ein Besoffener Akkordeon spielt und dazu einen alten Gospel singt. Es gab in meinem Leben durchaus spannende Zeiten. Auch Heiraten war für mich eine spannende Sache. Für mich fängt die Freiheit dort an, wo die Angst aufhört und das Vertrauen siegt. Deshalb habe ich die Installation mit dem Brautkleid nach Vers 12 Psalm 66 genannt “Du hast uns durch Feuer und Wasser gehen lassen, aber du hast uns in die Freiheit hinaus geführt“.
Seitdem ich zweimal mit dem Leben davon gekommen bin, lebe ich anders. Insofern ist meine Arbeit immer biographisch. In der Arbeit „Verwandlung“ habe ich diese Erfahrung explizit verarbeitet. Das Schönste ist, dass man überhaupt lebt.
Das Spiel mit der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit spielt für mich demgemäß eine große Rolle. Man sieht das besonders an den Schattenarbeiten und den kybernetischen Objekten, aber auch an meiner Malerei. Kurz nach seinem Tod sah mein Vater so erlöst aus – erlöst von allem, was ihn sein Leben lang belastet hatte. Für mich zeigte sich da sein wahres Antlitz. „Diesseitig bin ich gar nicht fassbar“, waren die Worte auf dem Grabstein von Klee. Ähnlich habe ich das Gesicht meines Vaters empfunden. Deshalb wollte ich es erfassen und für mich am Leben erhalten.
Woher nimmst du die Anregungen zu den facettenreichen Spielarten deiner Arbeiten? Stehst du im Austausch mit anderen Künstlern, mit Schriftstellern, Musikern? Geben Menschen dir Inspirationen oder Bücher, die Natur?
Manchmal ist es ein Schmerz, der mich nicht zur Ruhe kommen lässt, eine Frage. Mich inspiriert eigentlich alles. Andere Künstler, Freunde, Natur, Philosophie, Musik, unsere deutsche Geschichte, die Bibel. An ihr interessiert mich das Überschreiten der endlichen Wirklichkeit auf die unendliche hin.